unformatted PROKLA.
Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 126, 32. Jg., 2002,
Nr. 1, //-// Sabine Nuss _____________ Download ist Diebstahl? Eigentum
in einer digitalen Welt Mit der Entstehung des World Wide Web ist auch die
alte Grundsatzdebatte der bürgerlichen Gesellschaft über Rolle und
Funktion von Eigentum wieder zu neuem Leben erwacht. Insbesondere die Formen
des geistigen Eigentums (Urheberrechte, Patente, Markenschutz) sind in ganz
spezifischer Weise mit dem Internet verstrickt. Die Kombination von Digitalisierung
und der (nicht ganz weltweiten) Vernetzung von Zentralrechnern und Personal
Computern hat dazu geführt, dass Inhalte wie Ton, Text, Bild, usw. (im
Fachjargon Content), als immaterielle Produkte, oder besser: als
Informationsprodukte 1 mit geringem Aufwand und ohne Qualitätsverlust
millionenfach kopiert und verbreitet werden können. Es ist zwar nicht
neu, dass beispielsweise Musik kopiert und getauscht wird, auch in der analogen
Welt konnte man Musikcassetten aufnehmen (und es wurden Abgaben auf Leercassetten-
und Geräte eingeführt). Die digitale Ausdrucksweise von Information
erleichtert die Verbreitung demgegenüber aber um ein Vielfaches: Das Band
zwischen Form (Träger) und Inhalt (Daten) sitzt in der digitalen Welt
lockerer als in der analogen. Dem technologischen Potential des Internet steht
nun seit geraumer Zeit das Interesse der Verwertung der Bits und Bytes entgegen,
wobei die Kontrolle dieser Informationsströme bislang noch an den spezifischen
Eigenheiten digitaler Technologie seine Schranken findet. Generell ist umstritten,
ob beispielsweise Kopierschutz von digitalen Gütern überhaupt möglich
ist, da die Daten zum Konsum letztendlich immer in entschlüsselter Form
vorliegen müssen, ergo immer irgendeiner anderen Art von Kopiermöglichkeit
zur 1 Der Begriff der immateriellen Güter oder immaterielle
Produkte ist mit Vorsicht zu gebrauchen. Immateriell ist letzlich nur
die Information, diese aber ist zum Konsum und zur Verbreitung auf materielle
Träger angewiesen, sei es das Übertragungskabel, die Festplatte,
CD-ROM, der Bildschirm oder der CD-Player. Es läßt sich daher im
Grunde nicht von einer getrennten, immateriellen Sphäre sprechen, lediglich
von einer gelockerten Verbindung zwischen materieller und immaterieller Sphäre. 2
Sabine Nuss Verfügung stehen. Mitunter wird daher die Frage gestellt,
ob mit einem solchermaßen freien Datenfluss im Internet die alte
bürgerliche Eigentums- und Rechtsordnung zur Disposition stünde. 2 In
der Hauptsache sind es Akteure wie Unternehmen der Content- Industrie
(Verlage, Musik- und Filmindustrie, Softwareindustrie), ihre Lobbyverbände,
Verwertungsgesellschaften, Künstler, Publizisten, usw. und nicht zuletzt
der Staat, die das traditionelle Property Rights Regime 3 auch auf die
digitale Welt übertragen wollen. Mit verschiedenen Maßnahmen auf
der Ebene der Legislative, der Technik und der Ideologie sollen Datenströme
als geistiges Eigentum funktional gemacht werden (d.h. geschützt, abgrenzbar,
anerkannt). Dem steht nun eine große Zahl an Internet-Nutzern gegenüber,
die die geplanten Enclosures im Cyberspace 4 verurteilen und die traditionelle
Eigentumssicherung für die spezifische immaterielle Welt für anachronistisch und
technisch inadäquat halten. Zu diesen Usern gehören unter
anderem Publizisten, Programmierer (Hacker), Künstler, Bibliothekare, Ökonomen,
Informationswissenschaftler, Rechtswissenschaftler, kurz: Anbieter und Konsumenten
von Content jeglicher Art. Es können in dieser stellenweise
sehr emotional geführten Debatte grob gefasst zwei Fronten unterschieden
werden; das Interesse an privater Verfügungsgewalt über digitale
Informationen steht dabei dem des öffentlichen Zugriffs darauf entgegen.
Insofern ist die digitale Welt Projektions- als auch Kampffeld für höchst
gegensätzliche gesellschafts- und wirtschaftspolitische Interessen geworden
und der Streit entzündet sich maßgeblich an der Frage des Eigentums. Im
folgenden sollen die theoretischen Annahmen zu Funktion und Bedeutung von Eigentum,
die den sich bekämpfenden Positionen Copyright und Copyleft 5 zugrunde
liegen untersucht werden. Darauf aufbauend lassen sich Aussagen darüber
treffen, welche 2 So der Radiomoderator in der Sendung Cybercrime und
Copywrong - Die neue Wissens(un)ordnung, Radio Akademie gutenbytes, www.swr2.de/gutenbytes/sendungen/
000617_cybercrime.html, Download 08.07.2001. 3 Im folgenden werde ich die
Vertreter einer Stärkung des Copyright daher Traditionalisten nennen. 4
In den Enclosures des früheren Gemeindelandes, die einerseits
Produktionsmittel zu Privateigentum machten und andererseits die früheren
Nutzer dieser Produktionsmittel zu freien Arbeitern, denen nichts
anderes übrig blieb als ihre Arbeiskraft zu verkaufen, sah Marx den zentralen
Prozeß der ursprünglichen Akkumulation in England, der
Geburtsstätte des modernen Kapitalismus. 5 Diese beiden Begriffe sind
hier nicht streng im juristischen Sinne zu verstehen, sie sollen nur kurz und
prägnant für die beiden skizzierten, entgegengesetzten Positionen
stehen. Download ist Diebstahl? 3 Rolle die Debatte um das digitale Eigentum
im Kontext kapitalistischer Produktionsverhältnisse spielt und wie dieser
Konflikt möglicherweise ausgehen wird. Eigentumssicherung im Cyberspace Die
Verfechter von Copyright versuchen auf verschiedenen Ebenen, den Cyberspace
mit einem Property Rights Regime zu versehen, als Voraussetzung für die
Verwertung der Informationsprodukte. Zu den technischen Maßnahmen gehören
u.a. Verfahren des Digital Rights Managements (DRM). DRM-Systeme sind Software-Lösungen,
die auf spezifische Geschäftsmodelle jeweils abgestimmt, den Vertriebsweg digitaler
Güter vom Hersteller bis zum Nutzer kontrollieren können. Beispielsweise
hat IBM das sogenannte Electronic Media Management System (EMMS)
entwickelt, es soll den Austausch von Musik über Peer-to-Peer-Börsen
wie Napster 6 unmöglich machen. EMMS gibt dem Urheber die Möglichkeit,
zu bestimmen, was der Käufer damit machen darf und was nicht. Er kann
beispielsweise festlegen, wieviele Kopien einer Datei erzeugt werden dürfen
und ob das Brennen auf eine CD-Rom erlaubt werden soll (vgl. Miedl 2001). Auch
über die hardware werden Versuche der digitalen Vertriebskontrolle unternommen.
In den USA wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, welches den Einbau von Kopierschutztechnik
in sämtliche PCs und Geräte der Consumer-Elektronik erzwingen soll
(ct 9.9.2001). Aber auch Kopierschutz, wie beispielsweise das Einstreuen unnützer
Informationen bei der Herstellung von Audio-CDs, damit der Computer Schwierigkeiten
beim Lesen der CD hat, ist jüngst in die Schlagzeilen geraten, da mitunter
auch CD-Player solche CDs nicht abspielen können (vgl. Schneider: 2001).
Diese technischen Maßnahmen zur Sicherung des geistigen Eigentums werden auf
der gesetzgeberischen Ebene unterstützt. Zu nennen ist hier für die
USA der DMCA (Digital Millenium Copyright Act) und für Europa die noch
ins nationale Recht umzuwandelnde Urheberrechtsrichtlinie, wobei zentral und
beiden gemein ist, dass die Umgehung 6 Die Musiktauschbörse Napster ist
ein klassisches Internetprodukt: Dank des speziellen Datenformats MP3 wurden
Musikdateien klein und versendbar und konnten mittels der Napster-Software
weltweit getauscht werden. Nach einer Klage der Musikindustrie gegen Napster
ist die Anzahl der Nutzer von 200.000 bei Prozessbeginn im Dezember 1999 auf
20 Mio. gewachsen (vgl. Hamburgnewmedia. net). Der Medienkonzern Bertelsmann
kaufte Napster mit dem Ziel, daraus eine kostenpflichtige, legale Musikbörse
zu machen. Seit Sommer 2001 ist Napster geschlossen, inzwischen sind die Nutzer
aber auf andere freie Tauschbörsen, sogenannte Napster-Erben
umgestiegen (vgl. ct 6.9. 2001). 4 Sabine Nuss von Kopierschutzmaßnahmen
unter Strafe gestellt wird (siehe zu diesen Maßnahmen ausführlicher
den Beitrag von Rainer Kuhlen in diesem Heft). Zum anderen wird auf der ideologischen
Ebene versucht, ein Unrechtsbewußtsein zu entwickeln, welches
dem unbedarften Nutzer klar machen soll, dass er beim Downloaden und Verbreiten von
Dateien, deren Informationen urheberrechtlich geschützt sind, eine kriminelle
Tat begeht. Die Lobbyverbände betreiben diese Bewußtseinsbildung
sehr eindringlich, wenn z.B. Jay Berman, Chairman der International Federation
of the Phonographic Industry sagt: Den Diebstahl geistigen Eigentums
unterstützen Verbrecherorganisationen. Er nährt den Drogenhandel
und andere Schwerverbrechen. Der heutige Kampf gegen Musikpiraterie ist ein
Kampf gegen ein riesiges, organisiertes, illegales internationales Geschäft (aus:
Günther 2001: 13). Entsprechend wird eine Ideologie gefordert, die dieses
Vorgehen als un(ge)recht klassifiziert: Hier muss in der Tat zunächst
ein spezifisches Unrechtsbewußtsein kulturell entwikkelt werden, etwa
dergestalt: Wer illegal kopiert, klaut, wer unrechtmäßig vervielfältigt, ist
ein Dieb! (Lehmann 1997: 27). Die Medienkonzerne und die Softwareindustrie
- also in der Hauptsache Rechteinhaber an geistiger Schöpfung, machen
sich in der Regel unter Hinweis auf ihre hohen Investitionskosten für
Entwicklung (bei Software) oder für Vorschusshonorare und Marketing (bei Musik
und Literatur) für schärfere Schutzmaßnahmen im digitalen Sektor
stark; unter den Künstlern ist die Heavy Metal Band Metallica als Beispiel
für den Kampf um traditionelle Eigentumssicherung zu nennen. Metallica
hatte frühzeitig die Musiktauschbörse Napster und einige Napster-User
verklagt (Frank 2000: 3). Damit hat sich die Band zwar zum Unsympath der Netz-Community
gemacht, aber recht eigentlich hat sie das Prinzip des Urheberrechts
eingefordert, das da lautet: Bezahlen. 7 Musikindustrie und
Künstler vertreten somit individuelle Verwertungsinteressen. Diese aber,
so die Argumentation, kommen insofern der Gesellschaft zugute, als sie zu Wachstum
und Wohlstand führen. In der Urheberrechtsrichtlinie bringt die EU dies
folgendermaßen auf den Punkt: 7 So Oliver Castendyk, Urheberrechtsexperte
und Leiter des Erich-Pommer- Instituts in Potsdam, in einem Interview mit der
Taz (Frank a.a.O.) Das ist zwar etwas salopp ausgedrückt, aber letztendlich
entspricht es einer der Hauptbestimmungen des Urheberrechts, nämlich dem
vermögensrechtlichen Befugnis des Urhebers, also dem Recht
des Urhebers, sein Werk zu verwerten. Die zweite Säule ist die persönlichkeitsrechtliche
Befugnis des Urhebers und beinhaltet u.a. das Recht über das ob und wie
der Veröffentlichung (vgl. Urherberund Verlagsrecht 2001: XIII). Download
ist Diebstahl? 5 Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts
und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und
durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums
substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich
der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar
sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner
in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. Auf diese Weise können
Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. (Urheberrechtsrichtlinie
2001: Punkt 4). Der auf privaten Eigentumsrechten basierende und technisch
etablierte Schutz von Informationsprodukten wird als Voraussetzung dafür
betrachtet, dass diese Produkte überhaupt verkauft werden können.
Erst wenn der Verkauf gesichert ist, so der Gedanke, wären Unternehmen
bereit, in Geschäftstätigkeiten zu investieren. Schließlich müssten
die Kosten für Personal, Ausstattung, Maschinen, usw. refinanziert werden
und zumindest langfristig rentabel sein. Solche Unternehmen sorgten dann quasi
automatisch für Arbeitsplätze und je erfolgreicher diese Firmen seien,
desto mehr Beschäftigung ziehe dies nach sich. Aus Wachstum folgt demnach
Beschäftigung und dies wiederum erhöhe den Wohlstand einer Gesellschaft.
Über diese Argumentationskette kommen die Traditionalisten zur Annahme, dass
die Sicherung der privaten Eigentumsrechte im Netz zu gesamtwirtschaftlicher Effizienz
führe. In dieser Kette gibt es aber nicht nur eine Unwägbarkeit:
Erstens ist ein Verkauf noch lange nicht garantiert, nur weil er rechtlich
und technisch möglich ist - eine Investition in Geschäftstätigkeit
hängt noch von ganz anderen Dingen ab (Nachfrage, Konkurrenz, Kapitalausstattung,
usw.). Zweitens ist es höchst umstritten, dass Wachstum zu mehr Beschäftigung
führt. Ohne nun auf diese Unwägbarkeiten im Detail eingehen zu wollen, sollte
hiermit deutlich geworden sein, dass der Schluss, Privateigentum führe
zu einer höheren wirtschaftlichen Effizienz, einen theoretischen Hintergrund
hat, der erst zu solchen Annahmen führt. Tatsächlich argumentieren
die Traditionalisten (makro)ökonomisch - aber auf der Grundlage anthropologischer
Setzungen, wie z.B.: Grundsätzlich gehört es zu den Aufgaben
des Urheberrechtsschutzes, den schöpferisch tätigen Menschen zu kreativen
geistigen Leistungen zu ermuntern. Dies setzt voraus, dass er sein Werk für
ideelle und auch kommerzielle Zwecke nutzen kann. (Ulrich 1996: 397). Der
Mensch muss offensichtlich erst ermuntert werden, damit er sich überhaupt
schöpferisch betätigt und das Mittel dazu ist das private Eigentumsrecht.
Entsprechend wird auch immer wieder betont, mangelnder Rechtsschutz im Internet
führe zu weniger Produktion 6 Sabine Nuss an digitalen Gütern. 8 Die
behauptete Anreizfunktion und wirtschaftliche Effizienz von Privateigentum
und die notwendige Ideologiebildung für die Akzeptanz geistigen Eigentums
in einer digitalen Welt decken sich mit den Grundannahmen der Property Rights
Theorie, insofern stellt sie das theoretische Fundament der Traditionalisten dar. Die
Property Rights Theorie Die Property Rights Theorie versteht sich selbst als
Ergänzung und Fortschreibung der neoklassischen Volkswirtschaftslehre.
Wichtigster Vertreter der Property Rights Theorie ist der Amerikaner Douglass
C. North, der 1993 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten
hat. Da die Neoklassik die Dynamik wirtschaftlicher Entwicklung mit ihren statischen
Modellen nicht befriedigend zu erklären wußte, skizzierte North
eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte. Die Beschleunigung des
wirtschaftlichen Wachstums seit der steinzeitlichen Revolution, seit dem Übergang
zur Agrarwirtschaft und seit der modernen industriellen Revolution erklärte
er mit einer Theorie der Verfügungs- und Eigentumsrechte, wobei die Kernthese
seiner historischen Untersuchung lautet, dass Länder, deren Staaten gesicherte
Eigentumsrechte durchsetzen konnten und können, eine effizientere Wirtschaftsleistung
generieren als Länder, die über wenig oder keine gesicherten Eigentumsrechte
verfügen. Getreu der neoklassichen Vorstellungswelt liegen der Property Rights
Theorie zwei zentrale Annahmen zugrunde: (1) Die Wirtschaftssubjekte streben
danach, ihren (nach je individuellen Kriterien bestimmten) Nutzen zu maximieren;
(2) die Nutzen spendenden Güter (Produkte, Dienstleistungen, aber auch
freie Zeit) sind jedoch - gemessen an der Unbegrenztheit der Bedürfnisse
- knapp. In den historischen Untersuchungen von North erscheinen gesellschaftliche Organisationsformen
wirtschaftlicher Prozesse grundsätzlich entweder über den Markt oder
eine hierarchische Lenkung (durch den Herrscher) gesteuert. Als effizient
betrachtet North eine Wirtschaft, in der das nutzenmaximierende Verhalten der
Subjekte zu einer Ausstoßsteigerung führt: Die Ausdrücke
effizient und ineffizient, wie in der vorliegenden Arbeit
verwendet, dienen zum Vergleich der Auswirkungen zweier Nebenbedingungen: Im
einen Fall wird maximierendes Verhalten der Teilnehmer Ausstoßsteigerungen
bewirken, im anderen nicht (North 1988: 7, Fußnote 2). 8 Inhalte
werden nur in ausreichender Weise angeboten, wenn Rechte an geistigem Eigentum
ausreichend geschützt sind (EU-Grünbuch 1997: 19). Download
ist Diebstahl? 7 Bei der Beantwortung der Frage, wie Herrscher oder Staaten
das maximierende Verhalten der Wirtschaftssubjekte in der Vergangenheit bis
in die Gegenwart entsprechend beeinflusst bzw. gelenkt haben, spielt der Begriff
der Transaktionskosten eine zentrale Rolle. Ergänzend zur
Neoklassik, bei der die Produktionskosten aus den Produktionsfaktoren Boden,
Arbeit und Kapital entspringen, erweitert North das Modell um Aufwendungen,
die bei der Transaktion der Güter entstehen, also für Abgrenzung,
Schutz und Durchsetzung der Eigentumsrechte an Gütern (North 1992:
33). Zu diesen so definierten Transaktionskosten zählt North zum einen
die Messungskosten (Preis für die Informationen über Größe,
Qualität und Beschaffenheit eines Gutes), zum anderen nennt er die Erfüllungskosten (Aufwendungen
für Vertragserfüllung). Je arbeitsteiliger die Marktwirtschaft ist,
desto größer werden die Transaktionskosten, da die Tauschvorgänge
komplexer und anonymer werden. Da nun aber exklusive Eigentumsrechte,
die dem Eigentümer etwas einbringen (North 1988: 93) nach North
einen unmittelbaren Anreiz zur Erhöhung von Effizienz und Produktivität
bieten, kann der Staat Transaktionskosten senken, indem er gesicherte Eigentumsrechte
etabliert. Im sogenannten Principal-Agent-Modell kommt dies zum Tragen: Der
Principal kann bei zunehmender Arbeitsteilung der Marktwirtschaft die Leistung
seines Agenten nicht mehr direkt messen und überwachen und muss vermehrt
Kontrollkosten aufwenden. Diese können gesenkt werden, indem der Principal
seinem Agenten Verfügungsrechte an dessen Arbeit abtritt, da ihn das zu
höherer Produktion motiviere. Auch bezüglich Messung und Information
spielt der Staat nach North eine entscheidende Rolle. Mittels Standardisierungen
(z.B. DIN) oder der Sicherung der flächendeckenden Gültigkeit herrschender Zahlungsmittel
erleichtert er Tauschvorgänge, indem er Unsicherheit mindert. Aber selbst
wenn die Tauschvorgänge durch den Staat annähernd reibungslos gesichert
sind, besteht nach North die Gefahr, dass der Mensch (als nutzenmaximierendes
Individuum) dennoch versucht zu betrügen. 9 Vermeiden
könne man Betrug nur, wenn die Tauschvorgänge als gerecht
empfunden werden. Ob aber ein gesellschaftliches Tauschsystem für gerecht
gehalten wird, also von den Beteiligten mit all seinen Regeln akzeptiert wird,
hängt wiederum ab von der herrschenden Ideologie. 10 9 Aber
man kann die Vertragserfüllung nicht als Selbstverständlichkeit betrachten. (...)
...ohne institutionelle Schranken wird selbstsüchtiges Verhalten komplexe Tauschvorgänge
behindern (North 1992: 39). 10 Die Ideologie kann nicht nur bewirken,
dass die Individuen trotz ihres selbstsüch- 8 Sabine Nuss North spricht
durchgängig von gesicherten oder effizienten Eigentumsrechten, im
Gegensatz zu nicht oder weniger effizienten Eigentumsrechten.
Diese Begriffe verwendet er für die ganze Geschichte des wirtschaftlichen
Wandels bis hin zur Gegenwart. Das bedeutet aber zugleich, dass North die historisch
unterschiedlichen Funktionsweisen von Eigentum nicht näher differenziert,
beziehungsweise vom jeweiligen gesellschaftlichen Wirkungskontext abstrahiert. Besonders
deutlich wird das bei seiner Definition des solchermaßen überzeitlich
begriffenen Eigentumsrechtes, das nach North das Recht des Ausschlusses
Dritter beinhaltet (North 1988: 21). Eigentum im Mittelalter beispielsweise
meinte aber mitnichten die Macht ausschließlicher Verfügung über
die Sache. 11 In dieser Epoche stand nicht ein Abstraktum Eigentum
im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sondern die Fülle konkreter einzelner
Rechtsstellungen, die in der Regel um die Nutzung, nicht um die Verfügungsmöglichkeiten
kreisen (Hecker 1990:74). Bis in das 19. Jahrhundert hinein war im größeren
Teil Europas der Boden der entscheidende Produktionsfaktor, aber: Es
gab kein Bodeneigentum im Sinne des modernen Eigentumsbegriffs, d.h. einer zum
Ausschluß Dritter berechtigenden willkürlichen Verfügungsgewalt.
Für das mittelalterliche Rechtsdenken standen vielmehr konkrete, gewachsene
Rechte im Vordergrund, die vielfach gleichzeitig mit der Verfügung über
den Bodenertrag die Herrschaft über seine Bewohner zur Folge hatten, aber
durch Pflichten gegenüber dem Lehnsgeber einerseits und gegenüber
den Bewohnern andererseits begrenzt waren. (Rittstieg 1975: 3, Herv.
SN). Auch die Eigentumskonstruktionen der Griechen und der Römer waren höchst
unterschiedlich ausgestaltet. 12 An einer weiteren Stelle in tigen Wesens
nicht betrügen, sie kann auch redliches Arbeitsverhalten fördern: ...der
Unterschied zwischen Arbeitern, die 'fleißig' oder 'gewissenhaft' sind oder 'schwer
arbeiten' und denen, die 'faul' oder 'ungeschickt' sind oder 'sich drücken', ergibt
den Unterschied in deren Ausstoß als Folge davon, wieviel die ideologische Überzeugung
zur Vermeidung von Drückebergerei beiträgt (North 1988:48). 11
Der etymologische Blick auf das Wort Eigentum ergibt interessante
Aufschlüsse. So gibt es im Mittelalter keinen einheitlichen Terminus für
Eigentum. Eine Vielzahl von Ausdrücken und Begriffen (dominium,
proprietas, eigen) entspricht vielmehr der konkreten
Ausdrucksweise jeweiliger sehr unterschiedlicher Eigentumsverhältnisse
mit unterschiedlichen Nutzungsregelungen, wobei der Nutzungsberechtigte (hier
auf Land bezogen) als Eigentümer betrachtet wird (Hecker 1990:46). 12
Wobei das Eigentumsverständnis der Römer dem der Neuzeit noch am nächsten kommt:
Die Römer haben als erste klar unterschieden zwischen Eigentum und
Besitz. Sie nannten es dominium und possessio. Eigentümer einer Sache ist derjenige,
dem sie gehört. (...) Anders die Griechen. Auch bei ihnen gab es schon
lange Privateigentum. Aber sie haben es nie so klar formuliert und nicht so präzise
vom Besitz unterschieden. Das Alleinverfügungsrecht des Eigentümers war
nicht so kraß ausgebildet (Wesel 1990: 50f). Download ist Diebstahl?
9 seiner Untersuchung definiert North Eigentumsrechte als Rechte, die der
einzelne an seiner eigenen Arbeit und an den Sach- und Dienstleistungen in
seinem Besitz erwirbt (1992: 39). Bei einem Recht aber, welches der einzelne
an seiner Arbeit und an den Dingen in seinem Besitz erwerben kann, ist die
Inbesitznahme, bzw. der Prozess der Aneignung, bereits geschehen. Wie dies
geschehen ist und vor allem, wie dies legitimiert werden kann, ist daher für
North kein Thema mehr. Das ist auch nicht mehr nötig, denn die individuelle ausschließende
Aneignung von Natur hatte bereits John Locke einige Jahrhunderte früher
legitimiert. Seine Eigentumstheorie wurde mit ihrer Entstehung Ende des 17.
Jahrhunderts zur weltlichen Bibel des Bürgertums (Rifkin),
sie ist als solche in den Kanon des bürgerlichen Rechtsdenkens und damit
auch in die Property Rights Theorie eingeflossen. Was heute als selbstverständlich
gilt, nämlich die individuelle Aneignung von Natur, musste John Locke
noch rechtfertigen und er tat dies naturrechtlich: Im Naturzustand, so die damalige
Vorstellung, herrscht vollkommene Freiheit und Gleichheit (die wiederum nur
durch Naturgesetze beschränkt werden) und es gibt kein individuelles Eigentum:
Gott hat die Erde den Menschen gemeinsam gegeben. Da es aber das erste Naturgesetz
ist, die Schöpfung und damit auch den Menschen zu erhalten, muss der Mensch
sich in irgendeiner Form Nahrung verschaffen. Diese Tätigkeit nun, das
Pflücken einer Frucht beispielsweise, betrachtet Locke als individuelle
Aneignung und diese Aneignung dies ist der Springpunkt begründet
zugleich das Recht auf Eigentum: Was immer er also dem Zustand entrückt,
den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat, hat er mit seiner
Arbeit gemischt und ihm etwas eigenes hinzugefügt. Er hat es somit zu
seinem Eigentum gemacht (Locke § 27). 13 Mit dieser naturrechtlichen
Legitimation von Privateigentum 14 löste 13 Mit dieser Konstruktion
eines rein physischen Vorgangs - die Vermischung von Arbeit und Natur - hat
Locke gleich zweierlei begründet: zum einen das individuelle Aneignungsrecht
und zum anderen die Effizienz von Privateigentum: Arbeit = Aneignung = Privateigentum,
so die Gleichung. Umgekehrt bedeutet Gemeineigentum in dieser Logik, dass es
keine individuelle Aneignung gibt und damit auch keine Bearbeitung. Als Beweis
verweist Locke auf die wilden Indianer in Amerika, die deshalb
brach liegendes Land haben, weil sie es schlicht nicht aneignen, ergo nicht
bearbeiten. 14 Locke ist ganz Kind seiner Zeit und begreift Arbeit im vorhandenen
sozialen Kontext: Das Gras, das mein Pferd gefressen, der Torf, den mein
Knecht gestochen, und das Erz, das ich an irgend einer Stelle gegraben, wo
ich ein Recht darauf in Gemeinschaft mit anderen habe, wird auf diese Weise
mein Eigentum ohne die Anweisung oder die Zustimmung irgend jemandes.
(§ 28). Er versteht also unter meiner Arbeit auch die meiner
Knechte und Pferde. Der Erzeugung von privaten Eigentumsrechten ist demnach
das Herrschaftsverhältnis des Herrn über Natur und Knecht vorausgesetzt. 10
Sabine Nuss Locke einen Paradigmenwechsel in der Theoriegeschichte des Eigentums aus
(vgl. Brocker 1992). So herrschte noch bis in das 17. Jahrhundert hinein in
allen eigentumsrelevanten Abhandlungen (über Differenzen hinweg) Übereinstimmung
darüber, dass das Privateigentum durch Konvention, das heißt, von
Menschen eigenmächtig eingeführt wurde, es war insofern zwar ein
Recht, aber ein positiv gesetztes, kein natürliches. 15 Dass
die Arbeit das Recht auf Eigentum begründet, wird seither in der bürgerlichen
Eigentumsauffassung so angenommen, wie es von Locke gesetzt wurde: Als anthropologische Gewißheit. 16 Zur
Debatte steht bei Douglass North daher nicht mehr das ob, sondern
nur noch das wie, also die Frage, welche Wirkung verschiedene -
individuelle oder gemeine - Eigentumsrechte für Ökonomien haben,
insbesondere für die Effizienz von Ökonomien und nicht
mehr die Frage, ob eine individuelle Aneignung überhaupt legitim ist. Der
Begriff der Effizienz kommt in der Property Rights Theorie ähnlich
überhistorisch vor, wie jener der Eigentumsrechte. Effizient ist
eine Wirtschaft dann, wenn das maximierende Verhalten der Einzelnen zu einer
Ausstoßsteigerung der Güterproduktion führt. Diese Definition
dient als Maßstab, um die verschiedenen Ökonomien in Geschichte
und Gegenwart auf ihre Effizienz hin zu überprüfen. Gibt es wenig
oder keine Ausstoßsteigerung an Gütern, ist die Wirtschaft ineffizient,
bei vorhandener Ausstoßsteigerung ist die Wirtschaft effizient. Der Begriff
der Effizienz drückt aber ein Zweck- Mittel-Verhältnis
aus, das heißt, ob eine Ökonomie effizient ist, läßt sich
nur feststellen, indem der Zweck dieser Ökonomie ins Verhältnis gesetzt
wird zum eingesetzten Mittel. Effizienz ist dann erreicht, wenn ihr Zweck mit
jenen Mitteln erreicht wurde, die dafür eingesetzt 15 Charakteristisch
für das ältere Paradigma nennt Brocker die Antwort Ciceros auf die
Frage nach der Verteilung der Güter. Nach Cicero soll derjenige Eigentümer einer
Sache sein, der sie als erster hatte und sie mit der Absicht in seinen (physischen) Besitz
brachte, sie zu eigen zu haben (= prima occupatio, daher auch Okkupationstheorie
genannt). Es ist somit die zeitliche Priorität beim Auffinden und Aneignen
der herrenlosen Güter, die ein Eigentumsrecht einräumt. 16
Auch der heutigen Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz kommt eine übergesetzliche
Begründung zu, so schrieb der Bundesgerichtshof Ende der 50er Jahre dem
Recht auf Eigentum eine von staatlicher Rechtssetzung unabhängige Geltung
zu (BGHZ 6, 270 ff, zit. nach Brocker 1992: 345). Brocker weiter: Dem
Tenor all dieser Beurteilungen schloss sich auch das 1949 geschaffene Bundesverfassungsgericht
an (...) Es bezeichnete das Eigentum als ein vorbzw. überstaatliches Recht.
Ebenso ist die Auffassung, dass Arbeit das Recht auf Eigentum begründet
in die bürgerliche Rechtsprechung als unhinterfragbare Legitimation individuellen
Eigentums eingeflossen, die Arbeitstheorie des Eigentums ist in der juristischen
Literatur allgegenwärtig, stellenweise bezieht man sich sogar explizit
auf John Locke. Download ist Diebstahl? 11 wurden. Bereits Marx machte geltend,
dass es nicht die Wirtschaft oder die Produktion gibt,
sondern nur historische spezifische Produktionsweisen, die nach je eigenen
Zwecken organisiert sind. Eine Steigerung des Güterausstoßes ist
nun aber gerade nicht Zweck beispielsweise eines kapitalistisch organisierten
Unternehmens. Dieser Zweck besteht vielmehr in der beständigen und beständig gesteigerten
Verwertung des Werts. Zweck kapitalistischer Produktion ist der Mehrwert, aber
nicht um ihn als Konsumtionsmittel für den Kapitalisten zu verwenden,
sondern um ihn zu akkumulieren, ihn als Mittel der Mehrwertproduktion auf noch
größerer Stufenleiter zu verwenden. Eine effiziente kapitalistische
Wirtschaft muss daher nicht einfach, wie North meint, einen möglichst
großen Güterausstoß ermöglichen, sondern eine hohe Kapitalverwertung. 17 Diese
ahistorische Herangehensweise der Property-Rights-Theorie führt zu einer
eigentümlichen Tautologie, was am Beispiel des Principal- Agent-Modells
illustriert werden kann. Mit der Behauptung, dass der Agent zu höherer
Motivation angeregt werden würde, wenn der Principal ihm Verfügungsrechte
abtritt, werden gleich zwei Annahmen vorausgesetzt: So wird sowohl der positive
Zusammenhang zwischen privater Verfügungsgewalt und Motivation als auch
ein offensichtlich existierendes Machtverhältnis (Principal-Agent) als
gegeben angenommen. Diese beiden Annahmen sind quasi Existenzbedingung der
Property-Rights-Theorie und stammen aus der unreflektierten Verallgemeinerung
einer konkreten Wirklichkeit. North ist Zeitgenosse des entwickelten Kapitalismus
und wähnt sich jedoch offensichtlich in einer Ökonomie, die er -
wie viele seiner Mitmenschen - als die Wirtschaft gleichsam als
natürliche Lebensumgebung der Menschen wahrnimmt. Bestimmte Aspekte dieser
Lebenswelt, nämlich Herrschaftsverhältnisse und die Funktionsweise kapitalistischen
Privateigentums (das ja in der Tat notwendige Voraussetzung für Effizienz
im Sinne von Kapitalverwertung ist), löst er aus dem gesellschaftlichen
Kontext heraus und stilisiert sie zu natürlichen Wirkungsbedingungen,
die überhistorisch Geltung haben. Wenn man voraussetzt, dass gesicherte
Eigentumsrechte zu mehr Effizienz führen, diese Annahme aber aus der fragmentierten
Beobachtung der kapitalistischen Wirklichkeit herrührt, ist es kein Wunder, dass
am Ende der Untersuchung diese Vorannahme wieder bestätigt wird. Die Tautologie
lautet: Gesicherte Eigentumsrechte sind 17 Eine Aussstoßsteigerung an
Gütern ist im Kapitalismus immer nur Mittel zur Kapitalverwertung, was
man auch an brachliegenden Produktionskapazitäten sieht: Ausstoßsteigerung
ist in dem Moment uninteressant, in dem damit keine Kapitalverwertung mehr
erreicht werden kann. Download ist Diebstahl? 13 Die Property Rights Theorie
basiert wie bereits erwähnt auf der Neoklassik und damit auf der Annahme
einer gegebenen Knappheit (gemessen daran, dass Bedürfnisse als grenzenlos
erachtet werden). Ausgehend davon kommt sie zu dem Ergebnis, dass die alloziierende Wirkung
des Marktes mittels Preisen und nach der Northschen Ergänzung auch
mittels gesicherten Eigentumsrechten zu einer effizienten Produktion und optimalen
Verteilung der knappen Güter führen würde. Nun gibt es in der
modernen Ökonomie allerdings auch eine Theorie nicht knapper Güter,
wozu auch digitale Informationsprodukte zählen. So hält die Wohlfahrtsökonomik
die Theorie der öffentlichen Güter bereit. Öffentliche
Güter sind nicht gleichzusetzen mit staatlich finanzierten Gütern.
Wissen ist beispielsweise ein öffentliches Gut. Es weist sich
aus durch Nichtrivalität im Konsum (verursacht bei zusätzlichem Nutzer
keine Nutzeneinbußen) und durch Nicht-Ausschließbarkeit von der
Nutzung (ein zusätzlicher Nutzer kann nicht zu vertretbaren Kosten von
der Nutzung ausgeschlossen werden). Diese Güter werden aber als Sonderfall
betrachtet. Dennoch werden auf sie die Ergebnisse der Property Rights Theorie
angewendet: Bei öffentlichen Gütern - so die Theorie - wäre
es zwar kurzfristig optimal, Wissen würde zu Grenzkosten (kostenlos) abgegeben.
Das Wissen könnte sich so schnell verbreiten und der Gesellschaft zugute
kommen. Da aber die Kosten für Nachahmung niedriger sind als die Kosten
für Innovation, würde langfristig kein Anreiz mehr bestehen, neues
Wissen zu schaffen. Dadurch käme der wichtigste Wachstumsmotor ins Stokken. Entsprechend
werden hier Patente empfohlen, die diesen Trade- Off zwischen Allgemeinwohl
und Effizienz kompensieren helfen (vgl. Liebig 2001: 7). Bezüglich
der Debatte um das Eigentum in einer digitalen Welt wird nun klar, dass die
Argumentation für ein restriktiveres Property- Rights-Regime mit dem Hinweis
auf Wachstum, Beschäftigung, Effizienz und einem angeblich größeren
Arbeitsanreiz bei privater Verfügungsgewalt auf einem theoretischen Fundament
steht, welches ahistorisch und zugleich tautologisch ist: Oberflächenphänomene
einer existierenden, historisch-konkreten Welt werden in einer Art Zirkelschluss lediglich
reproduziert und bestätigt, aber nicht erklärt. Information
wants to be free 19 Die Verfechter eines freien Informationsflusses
machen den Tradi- 19 Stewart Brand auf der ersten Hackerkonferenz 1984, www.well.com/user/sbb/ 14
Sabine Nuss tionalisten nun zum Vorwurf, dass sie in der digitalen Ökonomie
mit Kopierschutzmaßnahmen und restriktiver Gesetzgebung eine Knappheit
künstlich herstellen wollen, die von Natur aus nicht gegeben ist. Demgegenüber
machen sie geltend, dass der virtuelle Raum anderen Regeln gehorcht, als jenen
der Old Economy. 20 Digitale Güter, so die Argumentation,
seien gerade nicht knapp, sie seien vielmehr im Überfluss
vorhanden, da die Kosten für Distribution und Vervielfältigung gegen
Null gingen und es bei Daten keinen Ressourcenverlust gäbe. Eine künstliche,
eigentumsrechtlich begründete Restriktion dieses Potentials erscheint
ihnen daher höchst absurd 21 und nicht nur dass: Es wird in der
Regel befürchtet, dass Maßnahmen des Digital Right Managements (DRM)
zu einem stärkeren Ausschluss der Menschen von Wissen führen, außerdem
sei mit DRM eine Aufhebung der Anonymisierung der Nutzer verbunden. 22 Weiterhin
wird vor einer Perpetuierung der herrschenden Spaltung von Information Haves
und Have-Not gewarnt (vgl. Kuhlen in diesem Heft, Lessig 2001).
Während bei den Traditionalisten das Privateigentum als das Recht der
Produzenten auf die Früchte ihrer Arbeit verteidigt wird, argumentieren
die Verfechter von Informationsfreiheit gerade entgegengesetzt: Der Zugang
der Menschen zu Wissen und Information sei ein Menschenrecht, 23 der Ausschluss
mittels eines restriktiven Intellectual Property Rights- Regimes dagegen ein
Verstoß gegen dieses. Ebenso wird von den Verteidigern der freien Information
immer wieder darauf hingewiesen, dass es auch ohne private Eigentumsrechte
Arbeitsanreiz und Motivation gäbe. Nicht nur die Entwicklung Freier Software,
die vorwiegend auf freiwilliger Arbeit beruht, zeige dies exemplarisch. Auch bei
der Produktion von Musik sei das Dogma vom Urheberschutz als 20 While
we parade around in our certainty that perfekt property is perfect progress -
while we insist the east died because it didnt protect property - right
in our midst is a phenomenon that is inconsistent with this story - the internet
(Lessig 2000: 14). 21 Property is a hindrance, not an aid, when peer
produktion of a public good like information is possible (Benkler 2001:
89). 22 Digital Rights Management-Systeme erlauben die Sammlung sehr detaillierter Informationen
über den Nutzer, wie bpsw. Interessen, finanzielle Ausstattung, Kaufprofil,
usw. Es wird befürchtet, dass damit Datenbanken entstehen, die zum einen
wiederum kommerziell verwertet werden können und zum anderen auch staatlichen
Behörden zugänglich gemacht werden, kurz: DRM könnte die Vorstellung vom
gläsernen Menschen wahr werden lassen. Laut Andy Müller- Maguhn,
einer der ICANN-Direktoren und Sprecher des Chaos Computer Clubs, werde gleichzeitig
mit dem Vordringen von Lösungen rund ums Digital Rights Management der
Überwachungsstaat installiert (zit. aus: Krempl 2001). 23 James
Boyle (2001) beispielsweise fordert eine Art Umweltschutz-Regime für Information. Download
ist Diebstahl? 15 Garant von Kreativität und Innovation ein Mythos, gerade
Künstler würden in der Regel nicht von ihrer Tätigkeit leben
können (vgl. Ku 2001). Ursprünglich stammt der Ruf nach freiem
Informationsfluss aus den Reihen der Programmierer. Sie waren die ersten überhaupt,
die zu spüren bekamen, was es bedeutet, wenn elektronische Daten der Verwertung
und damit dem Ausschlussprinzip untergeordnet werden sollen. Als Reaktion auf
die zunehmend restriktivere Lizenzierung von Software gründete Richard
Stallmann die Free Software Foundation, hob die General Public License (GPL)
aus der Taufe und prägte den Begriff des Copyleft als Entgegensetzung
von Copyright. Software, die der GPL unterlag, musste frei
bleiben, wobei frei hier nicht kostenlos heißt, sondern dass
der Quellcode 24 offen einsehbar und allen zugänglich bleibt, dass
er verändert, beliebig oft kopiert und verbreitet werden darf. Dies ist
Voraussetzung dafür, dass eine gemeinsame, kooperative und weltweit vernetzte
Arbeit daran überhaupt erst möglich wurde (und Software wie bsplw.
das Betriebssystem Linux entstehen konnte) - im Gegensatz zu proprietärer Software,
bei der der Quellcode in der Regel zurückgehalten und mitunter patentiert
wird. Der Verzicht auf Privateigentum an Quellcode ist für Stallman nicht
nur einfach eine effizientere Produktionsweise, sondern ein Schritt hin zu
einer freiheitlicheren Gesellschaft. 25 Die Free Software Foundation Europe
konstatiert in ihrer Präambel (http://fsfeurope.org/documents/preamble.de.html),
dass der digitale Raum mit Software als seinem Medium ein gewaltiges Potential
zur Förderung aller geistig-kulturellen Belange der Menscheit besitze
und eine der zentralen Aufgaben der Free Software Foundation daher die Förderung
eines demokratischen Staatswesens sei. Richard Stallman als Guru
der Freien Software Bewegung wurde seitens anderer Software-Entwickler eine
sozialistische Grundhaltung und ideologische Beharrlichkeit
vorgeworfen. Aus diesem Grunde hat man in Abgrenzung zu Stallmann den Begriff Open
Source ins Leben gerufen. Vertreter von Open Source plädieren zwar
auch für offenen Quellcode, betonen aber eher seine ef- 24 Der Quellcode
ist in einer menschenlesbaren Sprache geschrieben. Dieser Code muss erst von
einem Compiler übersetzt werden, damit der Computer ihn versteht. 25
Bei Freier Software, so Stallman in einem Interview, könne man nicht von
stehlen sprechen, wenn sie jemand aus dem Netz laden würde,
um sie in eigenen Produkten zu nutzen, denn: dieses Wort impliziert eine
Art von Eigentum, die sehr sehr schlecht wäre. (...) Diese Software gehört
der Allgemeinheit, und ich will nicht, dass jemand die Allgemeinheit schlecht
behandelt (zit. aus: Klagges 1996). 16 Sabine Nuss fizientere Produktionsweise.
Kommerzialisierung von Open Source ist ausdrücklich erwünscht. Zwar
wurde die Informationsfreiheit aus den Reihen der Programmierer zuerst proklamiert,
aber im Laufe der Entstehung anderer digitaler Güter, wie beispielsweise
Audio- oder Bilddateien und der Verbreitung des Internet, schlossen sich immer
mehr Sympathisanten, sowohl Nutzer als auch Produzenten dieser Güter (s.o.),
dem Motto an und verquickten damit teilweise höchst unterschiedliche politische
Zielvorstellungen. Die Freie Software Bewegung steht exemplarisch für
eine mittlerweile sehr weit verbreitete Haltung, die den Schwerpunkt auf Informationsfreiheit
zugunsten einer demokratischeren Gesellschaft legt. Daneben existiert eine
Minderheit, die die Produktionsweise von Freier Software, insbesondere ihre
nichtprivatrechtliche Grundlage, explizit auch auf die materielle Welt übertragen
möchte. Dieser Überzeugung geht eine ganz grundsätzliche Kritik
an der über Ware und Geld gesteuerten Vergesellschaftung voraus. Konsequenterweise
wird hier Freie Software als Keim einer zukünftigen Gesellschaft jenseits
von Kapitalismus gesehen, bzw. gewünscht (Diskussionen dazu unter www.oekonux.de,
eine kritische Auseinandersetzung damit: Nuss/Heinrich 2001). Alternative
Verwertungsstrategien Die Verfechter von Information wants to be free
sind in der Regel erbitterte Gegner der Content-Industrie und ihrer staatlichen
Fürsprecher. Mitunter gelten sie als die Rebellen der virtuellen Welt,
die Enfant Terribles der bürgerlichen Eigentums- und Rechtsordnung. Dies
liegt nicht zuletzt an der Freiheits-Terminologie: Freie Gesellschaft, freier
Zugang, freie Musik, freie Software, freies Wissen. Es wird jedoch von fast
keinem der Copyleft-Vertreter die bürgerliche Eigentums- und Rechtsordnung
zur Disposition gestellt, so wie das mitunter von konservativer Seite befürchtet
wird. 26 Da wie bereits erwähnt, das häufig benutzte Wort frei
nicht kostenlos heißt, sondern lediglich, dass die technologischen
Potentiale, die mit dem Internet entstanden sind, nicht wieder technisch oder
mittels gesetzlicher Maßnahmen eingeschränkt werden sollen, werden
konsequenterweise alternative Verwertungsmodelle vorgeschlagen, die der
Spezifik der digitalen Welt (art)gerecht werden sollen. So diskutiert man unter
anderem Spendensysteme, bei denen der Nutzer mittels einer speziellen Software
auf freiwilliger Basis dem Anbieter 26 So verbindet eine FAZ-Autorin mit dem
Mißtrauen gegenüber Privateigentum eine Bereitschaft
zu Enteignung und Sozialisierung (Horn 2000: 13). Download ist
Diebstahl? 17 von Inhalten via Netz Geld überweisen kann. 27 Oder:
In Anlehnung an das Verwertungsmodell der GEMA wird die Einrichtung eines Fonds
erwogen, der aus Abgaben auf Video-, Audio- und PCAusrüstung gefüllt
werden soll. Die Auszahlungen an die Künstler sollen entsprechend ihrer
Popularität von statten gehen, welche sich mittels spezieller Software
genau nachvollziehen ließe (Anzahl der Downloads pro Musiktitel usw.,
vgl. Ku 2001). 28 Im Bereich der Freien Software haben sich inzwischen
funktionierende Verwertungsmodelle gefunden. So bleibt zwar der Quellcode frei
zugänglich, aber für Zusatzleistungen wie Support oder die Erstellung
eines Handbuchs wird Geld verlangt. Diese Art der Verwertung liegt bei Software
allerdings auch nahe: Software dient in der Regel selbst wiederum als Produktionsmittel.
Der Konsum dieses Produktionsmittels benötigt Beratungs- und
Wartungsleistung, den die Konsumtion von Musik, Text oder Bild in der Regel
nicht erfordert. Dennoch scheint die Verwertungsweise von Open Source oder
Freier Software wegweisend zu sein für die Ökonomie des Internet:
Nicht mehr das einzelne Produkt (die Software, das Musikstück, der Text)
soll abgerechnet werden, sondern die Dienstleistung rund um diese Produkte. In
dieser Hinsicht ist den Vor- und Freiheitsdenkern des Internet weniger spektakulär
und auf eher leisen Sohlen die Betriebs- und Volkswirtschaft entgegengekommen.
In Anerkennung des Privateigentums für die Effizienz der Wirtschaft konstatieren
Ökonomen bezüglich des Internet ebenfalls eine andere Art und Weise
der Distribution. Für Shapiro/Varian (1999) beispielsweise ist das Verhältnis von
Copyright-Inhabern zum Internet ambivalent: einerseits ist es fantastisches
neues Distributionsmedium, andererseits eine gigantische, unkontrollierbare
Kopiermaschine. Die traditionellen Schutzmechanismen sind diesen technologischen
Potentialen gegenüber machtlos. Die Transaktionskosten - Kosten für
den Schutz geistigen Eigentums - sind zu teuer. Nach Shapiro/Varian gelten
die bewährten Prinzipien aber noch immer, das Internet und die Informationstechnologien eröffnen
lediglich neue Möglichkeiten bzw. for- 27 Bei Schriftstellern wäre
es denkbar, dass der Autor ein Kapitel ins Netz stellt und das zweite erst
dann veröffentlicht, wenn ein bestimmter von ihm ausgeschriebener Betrag
von der Netzcommunity eingegangen ist (vgl. Schneier/Kelsey 1998), ebensolches
wäre übertragbar auf Musik, die der Künstler nur sukzessive, Titel
für Titel, ins Netz stellt, quasi gegen Vorausbezahlung. Ein Portal für
Spenden an Künstler gibt es inzwischen schon, siehe www.fairtunes.com. 28
Auf die einzelnen Modelle einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Über
die Möglichkeit ihrer Realisierung und die Folgen für die betroffenen Künstler
und die derzeit noch agierenden Intermediäre, deren Bedeutung möglicherweise an
Gewicht verlieren würde, läßt sich nur spekulieren. 18 Sabine
Nuss dern dazu heraus, diese Prinzipien neu anzuwenden. Entsprechend wenden
sie sich nicht gegen eine Gratis-Abgabe digitaler Produkte, sondern betrachten
diese Art der Distribution eher als Anfütterung des Kunden,
die wahrscheinlich wieder zurückkommen und für weitere (ähnliche)
Produkte bezahlen werden. Das gleiche Prinzip gilt für Komplementärprodukte.
Dies ist im übrigen eine Strategie, die die Wirtschaftssubjekte stellenweise
schon verfolgen. Eine der typischen Regeln in der Internet-Ökonomie ist
beispielsweise die Preisstrategie Follow the Free. So ist es weit
verbreitet, (insbesondere) Software-Produkte zu verschenken. Damit sollen Netzeffekte erzielt
werden: Innerhalb kürzester Zeit wird eine kritische Masse an
Nutzern aufgebaut, die dann in einem zweiten Schritt Komplementärleistungen wie
Upgrades oder leistungsfähigere Programme kaufen sollen. 29 Auch
Jeremy Rifkin kommt in seinem Buch Access. Das Verschwinden des Eigentums
zu dem Schluß, der Verkäufer müsse sich von der Idee verabschieden,
eine Ware oder eine Dienstleistung zu verkaufen. Er muss dem Kunden Kostenfreiheit bieten
(Rifkin 2000: 124). In der Internet-Ökonomie hat sich das unter anderem
bereits bei Intermediären wie Suchmaschinen oder anderen Service-Portalen
durchgesetzt. Sie bieten den Interessenten kostenlos Hilfe bei der Suche nach
bestimmten Informationen über Produkte oder anderes an. Kommt durch eine
derartige Vermittlung irgendwann ein Kauf zustande, so erhält häufig
jede Stufe, die an dem Such- und Findeprozeß beteiligt war, eine kleine
Provision auf den Verkaufspreis. (...) Die Ordnung und Aufmerksamkeitserzeugung für
Web-Angebote und die Kanalisierung von Nachfragern sind Geld wert (Picot
2000: 29). 30 Anzustreben sei daher eine Gabenwirtschaft,
die als vorkommerzielles Stadium funktionieren soll (Kelly 1998:
90), und dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen sollen so genannte Kernprodukte
verschenkt werden, um auf dieser Basis andere, teurere Produkte bzw. Dienste
zu positionieren. Zum anderen sollen aber auch noch unvollendete, fehlerhafte
Produkte ver- 29 Zwei der wohl bekanntesten Beispiele für diese Strategie
sind der Adobe Acrobat Reader und der Internet-Browser Netscape Communicator 30
Die hohe Bedeutung von Aufmerksamkeit angesichts der unübersichtlichen Fülle an
Informationen im Internet, hat einige Autoren dazu veranlaßt, von Aufmerksamkeitsökonomie zu
sprechen, (vgl. dazu Goldhaber 1998: 117ff; Franck 1998). Es wird jedoch in
der These von der Aufmerksamkeitsökonomie (um die inzwischen Ruhe eingekehrt
ist) unzulässigerweise ein Einzelaspekt (die Aufmerksamkeit) zum dominierenden
Faktor der Wertschöpfung überhöht, der im übrigen noch
nicht einmal neu ist: Aufmerksamkeit ist das Ziel jeglicher Werbestrategie von
Unternehmen. Dass dies im Internet eine größere Bedeutung gewinnt, liegt
lediglich an einer größeren Konkurrenz aufgrund des quantitativ höheren Angebots. Download
ist Diebstahl? 19 schenkt werden, inklusive der Option für jeden Empfänger,
an deren Vollendung mitzuwirken. So würden die notwendigen schnellen Innovationen unter
Ausnutzung vernetzter Intelligenz inganggesetzt. Auch Unternehmensberatungen
entwerfen inzwischen - mitunter höchst fragwürdige - alternative
Verwertungsmodelle: Die angenommene Mehrheit von Freeloadern, die alles
umsonst wollen, sollten Werbebanner serviert bekommen. Darüber hinaus
könnte man ihre Profile für eine Menge Cash weiterverkaufen. Die
echten Fans könnten in irgendeiner Form zur Kasse gebeten
werden. In der Praxis sollen die Anwender Fragebögen ausfüllen und die
Download-Erlaubnis abhängig von der Zahl und Qualität der Antworten
bekommen. Wieviel wohl Details über die sexuellen Vorlieben wert sind?
Und was zahlen die Versicherungsunternehmen für die Krankengeschichte?
Dafür gibt's dann halt Gratis-Mucke. (Möller 2001). 31 Diese
kurze und sicher nicht erschöpfende Darstellung der neuen Verwertungsformen
von Content in der Internet-Ökonomie sollte deutlich gemacht
haben, dass die Forderung nach Informationsfreiheit der Netzaktivisten mitnichten
die bürgerliche Privateigentumsordnung zur Disposition stellt. Vielmehr
handelt es sich um eine Bewegung, die die technisch und juristisch flankierte
Eingrenzung und Manipulation der Datenströme aufs Schärfste kritisiert,
der Zwang der Verwertung bleibt davon aber unberührt. Solchermaßen freie
Güter, die technisch nicht manipuliert (geschützt) werden, sind
letztlich Gratis-Güter, die aber als Teil eines Gesamtproduktes durchaus
der Verwertung untergeordnet sind. Als solche sind sie Mittel der Werbung oder
Verkaufsförderung oder Mittel zur Herstellung einer Sphäre, die die
Realisierung von Mehrwert überhaupt erst ermöglicht (Follow-the-Free)
oder aber für das Unternehmen kostenfreies Produktionsmittel, wenn beispielweise
Freie Software im Betrieb eingesetzt wird, was auf Dauer und unter Umständen
die Steigerung des relativen Mehrwerts ermöglicht. Während jedoch Copyleft
mit gesellschaftspolitischen Zielen verknüpft wird erwägen Ökonomen
und andere Autoren Verwertungsmodelle, die ebenfalls einen kostenfreien Zugang
zu Inhalten ermöglichen, dies aber betriebswirtschaftlich begründen. 32 31
So die Unternehmensberatung Diebold auf der O'Reilly Peer-to-Peer-Konferenz in
San Francisco 14.-16. Februar 2001. 32 Content providers should manage
their businesses as if it were free, and then figure out how to set up relationships
or develop ancillary products and services that cover the costs of developing
content. Or players may simply try their hands at creative endeavors based
on service, not content assets: filtering content, hosting online forums, rating
others' (free) content, custom programming, consulting, or performing. (...)
The way to become a leading content provider may be to start by giving your
content away. This generosity isn't a moral decision: it's a business
strategy. (Dyson 1995) 20 Sabine Nuss Kritik der bürgerlichen
Eigentumskonzeption Die Argumentation der Netzaktivisten für eine freie
Informationswelt reduziert die Frage nach der exklusiven Verfügungsgewalt
auf den Wirkungsort einer vermeintlich von der realen Welt getrennten Welt, dem
Cyberspace, in dem andere Regeln gelten würden. Der Widerspruch zwischen
Verwertung und freier Verfügbarkeit wird so nicht aufgelöst. Es wird
stattdessen lediglich gefragt, wie können wir den existierenden Anspruch
auf Verwertung digitaler Güter im Netz anders regeln (technisch artgerecht),
es wird hingegen nicht gefragt, woher exklusive Verfügungsgewalt überhaupt
kommt und wie sie legitimiert ist. Damit aber liegen die Netzaktivisten in
einer Linie mit den Copyright-Verfechtern (s.o.), insofern teilen sie deren
zugrundeliegendes bürgerliches Privateigentumsverständnis. Die diesem
Verständnis innewohnende Beziehung zwischen Eigentum, Arbeit und Effizienz
(von der Arbeit wird das private Eigentumsrecht auf die Früchte der Arbeit
abgeleitet, daher generiert nur private Verfügungsgewalt eine effiziente
Wirtschaftsleistung, s.o.) bleibt unangefochten. Diese spezifisch bürgerliche
Wahrnehmung der Eigentumsbeziehungen im Kapitalismus wurde von Marx grundsätzlich hinterfragt.
Er stellte der bürgerlichen Eigentumskonzeption aber nicht einfach eine
eigene entgegen. Vielmehr kritisierte er die bürgerliche Wahrnehmung der
Aneignungsgesetze im Kapitalismus, um erst dadurch auf die reale Funktion der
Eigentumsbeziehungen innerhalb der kapitalistischen Ökonomie (und nicht
nur jener) zu verweisen. Zuvorderst warf er den bürgerlichen Ökonomen
deren Ahistorismus vor (den wir auch bei North entdecken konnten). Solch überzeitlichen
Konstruktionen hält er entgegen, dass die sogenannten allgemeinen
Bedingungen aller Produktion nichts sind, als diese abstrakten
Momente, mit denen keine wirkliche geschichtliche Produktionsstufe begriffen
ist (Marx 1857/58: 10). Den Ökonomen, die Eigentum zu einer Bedingung
aller Produktion machen, wirft er Tautologie vor: da alle Produktion Aneignung
von Natur ist, ist es in diesem Sinne Tautologie zu sagen, dass das Eigentum
(Aneignung) eine Bedingung der Produktion sei: Lächerlich aber ist
es, hiervon einen Sprung auf eine bestimmte Form des Eigentums, z.B. das Privateigentum zu
machen (ebd.). So setzt Marx einerseits zwar Eigentum mit
Aneignung gleich, im Sinne von aneignen = sich zu eigen machen: Eine
Aneignung, die sich nichts zu eigen macht, ist contradictio in subjecto
(ebd.), verbindet damit aber gerade keinen spezifischen Rechtsanspruch. Dieser
läßt sich nur definieren im Download ist Diebstahl? 21 Rahmen
einer Analyse der jeweiligen, spezifischen Produktionsstufe, auf der sich die
zu untersuchende Gesellschaft befindet. Den entscheidenden Punkt seiner Analyse
des Privateigentums in kapitalistischen Gesellschaften faßte Marx im
Kapital unter dem Titel Umschlag der Aneignungsgesetze
(Marx 1867: 22. Kapitel) zusammen. Dort argumentiert er, dass die seit Locke
übliche rechtsphilosophische Legitimation des Eigentums durch Arbeit sich der
Perspektive der einfachen Zirkulation (Tausch von Ware gegen Geld als Form
der Vermittlung des gesellschaftlichen Stoffwechsels) verdankt. Hier gibt es
nur eine Methode, wodurch sich eine Person das Eigentum einer anderen Person
aneignen kann: Den Äquivalententausch (gleicher Wert tauscht sich gegen
gleichen Wert). Das heißt aber, dass die Eigentumsbeziehung zwischen
Person und Ware dem Tausch schon vorausgesetzt ist. Außerhalb des Tausches findet
aber nur der Produktionsakt der Ware statt, so dass es diese Produktion sein
muß, also die Verausgabung eigener Arbeit, die zum Eigentum führt. 33 Diese
vermeintliche Identität von Arbeit und Eigentum scheint nun umzuschlagen,
wenn man die kapitalistische Produktionssphäre betrachtet: Der vom Arbeiter
geschaffene Mehrwert wird vom Kapitalisten (als Eigentümer der Produktionsmittel) angeeignet,
ohne dass er dafür ein Äquivalent aufbringen müsste, und wird
dann wieder gegen Geld getauscht. Mit diesem Geld wird erneut Arbeitskraft
gekauft, welche wiederum Mehrwert schafft. Im Resultat wird die vergangene
Aneignung unbezahlter Arbeit zur Voraussetzung künftiger Aneignung unbezahlter
Arbeit: Die Scheidung zwischen Eigentum und Arbeit wird zur notwendigen
Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging
(Marx 1867: 610). Während nun die Apologeten der bürgerlichen Gesellschaft
diesen Umschlag leugnen und durch die Konstruktion spezifischer
Leistungen des Faktors Kapital bzw. des Kapitalisten in der Aneignung des
Mehrwerts ebenfalls eine auf eigener Arbeit beruhende Aneignung sehen, kritisierten
Sozialisten in der Tradition von Proudhon diesen Umschlag als Verletzung
des ursprünglichen Eigentumsgesetzes. Beiden Seiten gegenüber will
Marx deutlich machen, dass das vermeintlich ursprüngliche Aneignungsgesetz
bloßer Schein ist: die Identität von Arbeit und Eigentum hat niemals
existiert. Die einfache Zirkulation, die dieser scheinbaren Identität
ihre 33 Und da von ihrem Standpunkt aus (von dem der Zirculation, S.N.)
fremde Waaren, also fremde Arbeit nur angeeignet werden kann durch Entäusserung
der eignen, erscheint von ihrem Standpunkt aus der der Circulation vorhergehnde Aneignungsprocess
der Waare nothwendig als Aneignung durch Arbeit (Marx 1858: 48). 22
Sabine Nuss Plausibilität verleiht, hat es unabhängig vom Kapitalismus
niemals gegeben. Es handelt sich bei ihr gerade nicht um eine vorkapitalistische Warenproduktion,
die irgendwann einmal existiert hat, sondern um die abstrakte Oberfläche
kapitalistischer Produktion: erst wenn die gesellschaftliche Produktion kapitalistisch
organisiert ist, wird der Tausch von Ware und Geld zur dominanten Form der
Vermittlung der gesellschaftlichen Reproduktion und erst jetzt kann sie, eben weil
sie überall auftritt, als etwas Ursprüngliches, den Kapitalismus Übergreifendes,
erscheinen. Die zentrale rechtsphilosophische Legitimation des bürgerlichen
Eigentums, nämlich dass eigene Arbeit Eigentum begründe, trifft demnach weder
auf die historische Phase der Entstehung des Kapitalismus zu - diese sogenannte
ursprüngliche Akkumulation (Marx) ist vielmehr davon gekennzeichnet,
dass gewaltsame Aneignung und nicht Arbeit Eigentum begründete, noch gilt
sie für den entwickelten Kapitalismus. Dort, im bürgerlichen Reich
von Freiheit, Gleichheit und Eigentum ist de facto gerade die unbezahlte Aneignung
fremder Arbeit die Bedingung für die weitere unbezahlte Aneignung fremder Arbeit.
Die notwendige Voraussetzung für den kapitalistischen Produktionsprozess ist
aber das Vorhandensein eigentumsloser Arbeiter. Der doppelt freie Arbeiter
muss a) frei sein von Subsistenzmitteln (er darf keinen Zugriff auf Produktionsmittel
haben, mittels derer er sich selbst reproduzieren könnte) und er muss
b) frei sein, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Beide Freiheiten
werden im Verlauf der ursprünglichen Akkumulation gewaltsam
hergestellt (vgl. Marx 1867, 24. Kapitel). Privateigentum ist somit konstituierende
Form von Kapitalismus und nimmt als solche eine historisch spezifische Eigentumsform
an. Vor diesem Hintergrund ist nun auch klar, dass gesicherte Eigentumsrechte nicht
hinreichendes Mittel sind für Effizienz, sondern notwendige Existenzbedingung
der kapitalistischen Produktionsweise. Mittel der Effizienz und zwar der kapitalistischen
Effizienz (Kapitalverwertung) sind daher ganz andere Maßnahmen. 34 34
Marx unterscheidet zwei grundsätzliche Möglichkeiten, wie die einzelnen
Kapitalisten die Verwertung des von ihnen angewendeten Kapitals steigern können:
Sie können die Ausbeutung der einzelnen Arbeitskraft erhöhen, indem
sie entweder die Arbeitszeit verlängern (wozu auch die Intensivierung
der Arbeit zählt), was Marx im 1. Band des Kapital als Produktion
des absoluten Mehrwerts abhandelt oder indem sie die Produktivität
der Arbeit steigern und damit den Wert der Arbeitskraft senken (Produktion
des relativen Mehrwerts). Und sie können den Einsatz der Elemente
des konstanten Kapitals (Maschinerie, Roh- und Hilfsstoffe) ökonomisieren,
das heißt eine gegebene Produktmenge mit einem möglichst geringen
Einsatz von konstantem Kapital produzieren. Download ist Diebstahl? 23 Weiterhin
kann man schließen, dass die Knappheit der Güter, die die Neoklassik
als gegeben voraussetzt und die auch von den Copyleft- Apologeten nur für
die digitale Welt in Frage gestellt wird, generell keine natürliche
ist, wie wir sie beispielsweise von fossilen Energieträgern kennen. Knappheit
der Güter und zwar jener, deren Mehrwert realisiert werden soll, gehört
zum kapitalistischen Funktionskontext notwendig dazu. Sind bestimmte Güter,
die nicht Teil eines Gesamtproduktes sind, sondern originär als Ware getauscht werden
sollen, frei (hier im Sinne von gratis) verfügbar, ist die Zirkulationssphäre, das
heißt, die Sphäre zur Realisation des Mehrwerts, verwundet. 35 Privateigentum
bzw. gesicherte Eigentumsrechte, sind das Mittel, diese Knappheit herzustellen.
Per Ausschlussfunktion wird nur das zahlungskräftige Bedürfnis gestillt,
das nicht zahlungskräftige Bedürfnis hat keinen Zugang. 36 Grundsätzlich
ist das Privateigentumsverhältnis aber nicht gestört, da die Produktionsweise nach
wie vor nach den geschilderten Prinzipien (Mehrwertproduktion, Aneignung fremder
Arbeit) funktioniert. Plädiert man nun für alternative Verwertungsstrategien,
verlegt man die für die kapitalistische Warenzirkulation notwendige Knappheit
- vorausgesetzt diese Verwertungsform funktioniert - auf eine andere Ebene
(nicht mehr für das Produkt muss bezahlt werden, aber für den Zugang
oder für die Dienstleistung darum herum, usw.). Der Konflikt zwischen
Copyright und Copyleft ist daher lediglich Ausdruck des Versuchs, die Zirkulationssphäre warentausch-tauglich
zu machen. Gegenwärtig, so kann man sagen, befindet sich die Suche nach
solchen Mitteln in einer Art Trial-and-Error-Phase und ob sich die restriktiven
Maßnahmen der Copyright-Stärkung durchsetzen werden, mit all ihren
negativen Begleiterscheinungen, wie beispielsweise einer Gefahr erhöhter Kontrollmöglichkeiten
der Nutzer oder der Einschränkung des Fair Use-Prinzips, oder ob die alternativen
Verwertungsmodelle der 35 In der Zirkulationssphäre treten sich ja Privateigentümer
gegenüber und erkennen sich als solche an, als Voraussetzung von Tausch.
Mit der freien Verfügbarkeit von Gütern aber gibt es keine exklusiven
Eigentümer mehr, damit sind die ökonomischen Kategorien (in diesem
Falle Privateigentümer als Personifikation einer ökonomischen
Kategorie), die für den Kapitalismus charakteristisch sind, zumindest
in der Zirkulation nicht mehr funktional für eine erfolgreiche Kapitalverwertung. 36
Statt nun zu beklagen, dass in der digitalen Welt eine künstliche Knappheit
mittels exklusiver Eigentumsrechte hergestellt werden soll, könnte man
diesen Focus zur Abwechslung auch auf die reale, nicht-digitale Welt richten.
Privateigentum als Ausschluss und damit als Herstellung einer künstlichen
Knappheit (die nur zahlungskräftige Bedürfnisse versorgt und andere
ausschließt) gilt generell und nicht nur für die Güter der
digitalen Ökonomie, wenn sie mit einem restriktiven Property-Rights-Regime
versehen werden sollen. 24 Sabine Nuss Netzaktivisten und Betriebswirtschaftler
sich durchsetzen werden, ist noch völlig offen. Copyleft als Avantgarde
einer postindustriellen Produktionsweise? Wie gezeigt weisen die alternativen
Verwertungsmodelle in eine Richtung, die kurz gesagt vom Produkt zum
Prozess gehen. Nicht mehr die eigentumsgeschützten digitalen Güter
sollen verkauft werden, sondern Dienstleistungen drum herum. 37 In
diesem Zusammenhang ist auch auf den bereits erwähnten Jeremy Rifkin zurück zu
kommen. Ihm zufolge ist die zunehmende Immaterialität von Produkten wesentlicher
Bestandteil einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die zum Verschwinden
des Eigentums führe. Im Zusammenhang mit den technologischen Innovationen
dehne sich der Dienstleistungssektor aus, weil immer mehr Waren selbst
einst Bollwerk des Systems des Privateigentums in reine Dienstleistungen verwandelt
(Rifkin 2000: 115) würden. Was vormals käuflich war, werde mehr und
mehr zugänglich. 38 Damit werde auch der Tausch zwischen
Verkäufer und Käufer, bei dem eine Übertragung von Eigentum
stattfinde, zugunsten von Zugangsgewährung in Beziehungsgeflechte
zwischen Anbietern und Nutzern zurücktreten. Mit der Entwicklung hin zu
mehr Zugang ist allerdings mitnichten das Privateigentum bedroht,
es handelt sich dabei lediglich um eine dem Medium Internet artgerechte
Form des Einnahme- und Abrechnungsverfahrens. 39 Natürlich bleibt das
nicht ohne Folgen, wenngleich es auch den Kapitalismus oder das Privateigentum
nicht untergraben wird, wie manche Autoren meinen. Gegenwärtig aber sieht
es so aus, als würde die Art und Weise, wie die immaterielle Welt sich
in die vorgegebenen Eigentumsstrukturen des Kapitalismus einpasst, einem neuen,
postindustriellen Produktionsparadigma Vorschub leisten, bzw. ihm entgegenkommen.
Dies kann hier nur 37 Durch die freie Verfügbarkeit aller Entwicklungsressourcen
ist es möglich, bei Fachleuten jegliche Garantie und jeden erforderlichen
zusätzlichen Service dazuzukaufen (Lang 1998: 19). 38 Auch die
FAZ schreibt: Heute werden Kenntnisse öffentlich, ubiquitär und
gratis, die Dienstleistung hingegen bleibt privat, lokal und kostet Geld
(Horn 2000: 13). 39 Es ist nicht einsichtig, wieso nach Rifkin die Kategorien
des Anbieters und Nutzers etwas so grundsätzlich anderes sein sollen,
als jene des Verkäufers und Käufers. Rifkin versäumt es, in
seiner Analyse eine Trennung zu machen zwischen stofflicher Beschaffenheit
der Produkte und ihrer ökonomischen Form, der Warenform. Die stoffliche
Beschaffenheit aber - also die Immaterialität - eines Produkts ändert
nichts an den ökonomischen Kategorien, in denen es sich befindet, insofern
wird davon auch die Existenz des Privateigentums nicht berührt, geschweige
denn, dass es verschwindet. Download ist Diebstahl? 25 schlaglichtartig
illustriert werden. Freie Software ist als das Paradebeispiel zu nennen: Ihre
Produktionsweise basiert auf offenem Wissen, Kooperation, flacher Hierarchie, Flexibilität,
weltweite Vernetzung, einer großteils unbezahlten Tätigkeit und
meistensteils ohne Vertragsbindung. Das Produktionsmodell von Open Source bzw.
Freier Software nimmt für die Industrie schon länger eine Vorbildfunktion
ein. So hat Norbert Bensel, verantwortlich für Human Resources der DaimlerChrysler
Services AG, auf einer Konferenz neue Arbeitskonzepte vorgestellt, die nicht nur
in ihrem sprachlichen Habitus sehr den Produktionsaspekten, die der Freien
Software zugeschrieben werden und den oben beschriebenen neuen Verwertungsmodellen
der Internet-Ökonomie ähneln. Er beschrieb das neue Arbeitsmodell
mit folgenden Stichworten: Spass haben (statt Geld verdienen, als
Motivation), Freiwillige motivieren, Anerkennung für
cool code, Kunden zu Mitarbeitern machen, Bedürfnis
der Mitarbeiter nach Entfaltung usw. Im Abstract zu seinem Vortrag heißt
es unter anderem: Die Bedeutung des Mitarbeiters, der 'Human Ressources',
hat sich für Unternehmen entscheidend gewandelt: Information und Wissen
sind der Motor der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Dabei ist jedoch der
effiziente Zugriff auf Information letztlich nicht der entscheidende Wettbewerbsfaktor.
Es sind die Menschen, die Mitarbeiter, die mit ihrem Wissen aus der Information
neues Wissen erzeugen (Bensel 2001, Herv. d. Verf.). Neue Arbeitsformen
mit flexiblen Vertragskonstruktionen und Zeitstrukturen, wie Teilzeit-, Leih-,
Honorarvertrags- und andere befristete Arbeitsverhältnisse treten zunehmend
an die Stelle der klassischen Vollzeit-Normalarbeitsverhältnisse, die
bereits heute nur noch knapp zwei Drittel aller Arbeitsverhältnisse ausmachen. 40 Schätzungen
zufolge werden diese Arbeitsformen schon in den nächsten Jahren mindestens
die Hälfte aller Arbeitsverhältnisse bestimmen. 41 Koordiniert
werden die Teams und Mitarbeiter in den sogenannten Netzwerkkooperationen nach
den Methoden der indirekten Steuerung, d.h. es werden nicht mehr
wie innerhalb betrieblicher Hierarchien konkrete Arbeitsanweisungen erteilt,
für deren Erfüllung dann der jeweils Vorgesetzte seinem Vorgesetzten
re- 40 Normalarbeitsverhältnisse umfassen Arbeiter und Angestellte in
unbefristeter vollzeitiger Stellung, ohne Leiharbeit (vgl. Oschmiansky/Schmid
2000). 41 Vgl. Klotz (1997), Picot (2000). In Bezug auf die Zunahme dieser
nonstandard work arrangements in den USA (ca. 40 Mio. US-Amerikaner,
d.h. 30% der Beschäftigten der USA, verdingen sich als independent
contractors, Werkvertragsnehmer, Zeitarbeiter, Teilzeit- oder befristet
Beschäftigte und Tagelöhner) merken Altvater/Mahnkopf (2000: 772)
an, dass die New Economy in den USA in beträchtlichem Umfang
als eine informelle Ökonomie, wie sie aus Ländern der Dritten
Welt bekannt ist, verstanden werden könne. 26 Sabine Nuss chenschaftspflichtig
ist. Vorgegeben werden den konkurrierenden Projektteams lediglich die zu erreichenden
Ziele, d.h. vor allem Gewinnquoten bzw. Rentabilitätskennziffern, die
wiederum an den Prinzipien des Shareholder Value, also dem Bestreben, den wichtigen Aktionären
letztlich einen hohen Unternehmenswert bieten zu können, orientiert sind.
Aus dieser Perspektive betrachtet bedeutet Arbeit für die Beschäftigen
in den neuen Arbeitsorganisationen konkret, als Selbstmanager (...) die
Ressource Ich zu managen, damit unmittelbar der Schrankenlosigkeit des
Verwertungszusammenhanges ausgesetzt zu sein und deshalb die ständige
und endlose Selbst-Ökonomisierung dieses Verhältnisses (vgl.
Glißmann 2001: 129) zu betreiben. Dazu passt auch eine Entwicklung
in der Musikindustrie, wonach Musiker sich verstärkt gegen ihre Vertragsbindung
mit Plattenfirmen wehren und einen direkten Kontakt zum Kunden, mithin die
Selbstvermarktung via Netz anstreben. Auch die vorgeschlagenen Kriterien, wie
unter Verzicht auf Copyright dennoch Geld für Texte oder Musik verlangt
werden kann, verweisen auf verschärfte Konkurrenzbedingungen und auf prekäre,
weil unverbindliche Arbeitsverhältnisse: Selbst in einer Welt ohne
jedes Copyright wird immer noch jener Reporter hoch bezahlt werden,
der als einziger über eine relevante neueste Meldung verfügt. Denn er
kann gut damit leben, dass die Meldung nach dem Akt der Weitergabe (für den
er sich teuer honorieren lässt) jeglichen Kopierschutz verliert. (...)
So gehört die Zukunft wohl eher den agilen vielleicht als selbständige
Free Lancers oder in kleinen, hochspezialisierten Teams tätigen Information
Brokers als den traditionellen Grossverlagen... (Geser 2001). Wie
auch immer die Entwicklung ausgehen wird, die Auflösung tradierter Produktionsverhältnisse
ist nichts neues in der Geschichte des Kapitalismus: Die moderne Industrie
betrachtet und behandelt die vorhandne Form eines Produktionsprozesses nie
als definitiv. Ihre technische Basis ist daher revolutionär (...) Durch
Maschinerie, chemische Prozesse und andere Methoden wälzt sie beständig mit
der technischen Grundlage der Produktion die Funktionen der Arbeiter und die gesellschaftlichen
Kombinationen des Arbeitsprozesses um (MEW 23: 511). Die alte bürgerliche
Eigentums- und Rechtsordnung steht jedoch mit einem freien Datenfluss
alleine nicht zur Disposition. Literatur Altvater, Elmar/ Mahnkopf, Birgit
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